NIGHTWISH - DECADES: Europe 2018 // Berlin

Hat NIGHTWISH den Zenit der Karriere bereits überschritten? Wenn man sich am Montagabend vor der Max Schmeling Halle umsah, konnte man fast meinen, dass es so ist. Keine unendlichen Schlangen vor dem Einlass, die Abendkasse war zwar besetzt, aber auch dort herrschte gähnende Leere.  Und die Ticketverkäufer, die entweder auf einen satten Gewinn spekulierten oder eben nur mal eine überfällige Karte verkaufen wollten, blieben auf diesen sitzen.
NIGHTWISH, wie sprechen hier von der wohl erfolgreichsten Symphonic Metal Band, begann ihre Decades: Europe 2018 – Tour in Göteborg und Kopenhagen.  Als dritter Termin stand Berlin auf dem Kalender. Und wenn wir ehrlich sind, bis 2005 hätten die Finnen wohl keine Probleme gehabt auch an einem Montag 10‘000 Fans in Berlin vor die Bühne zu bekommen.

Dabei legten NIGHTWISH selbst die Messlatte sehr hoch an. Das Decades-Album, eine The Best Of – Zusammenstellung der verschiedenen Epochen ihres Schaffens wurde nicht etwa neu eingespielt, sondern lediglich einem Remaster unterzogen, so dass auf der Platte sowohl  Tarja Turunen, Anette Olzon und natürlich auch Floor Jansen zu hören sind. Für die Tour bedeutet das aber, dass Floor auch sämtliche Gesangsparts von Tarja und Anette übernimmt. Ein gewagtes Experiment, denn Tuomas Holopainen schnitt seine Kompositionen zumeist auf die jeweilige Sängerin der Band zu. Doch dazu später mehr.

Als Support hatten NIGHTWISH die ebenfalls aus Finnland stammenden BEAST IN BLACK im Gepäck, die von Anfang an zu überzeugen wussten und den Fans schon mal ordentlich einheizten. Gleichwohl Sänger Yannis Papadopoulos über eine sehr schrille Stimme verfügt, wurde diese jedoch nie nervig und mit dem Double Bass Drum und harten, eingängigen Riffs wurde ein wahres Metal-Feuerwerk entfacht. Eine Band, die man sich auf jeden Fall notieren sollte! Schade, dass wir als Medienvertreter nach den ersten drei Songs quasi aus der Halle geschmissen wurden, so dass wir nicht das ganze Set verfolgen konnten.

Ein gewaltiger Vorhang verdeckte die Sicht auf die Bühne, als NIGHTWISH gegen 21:00 Uhr mit ihrer Show begannen. Dieser fiel dann ganz unspektakulär zu Boden (das hätte man sich wohl auch sparen können) und gab einen Blick auf die noch leere Bühne frei. Das Bühnenbild selbst wurde von riesigen LED-Screens beherrscht, auf denen während des gesamten Sets durchaus sehenswerte Animationen liefen. Allerdings schluckten diese Screens auch die Licht-Show, so dass das Ganze etwas steril daher kam. Am oberen Bühnendach waren auch noch einmal zwei Screens installiert, diese waren wohl für die oberen Ränge gedacht, die aber mangels Zuschauer komplett abgehängt waren.

Bevor das Intro begann, gab es wieder einmal den Hinweis, doch bitte auf Handys zu verzichten und … wieder einmal hielt sich fast keiner daran. Manchmal hat man das Gefühl, dass einige Leute gar nicht wegen des Konzertes selbst in die Halle kommen, sondern lediglich um ein Handy-Video zu machen, welches sie dann stolz in den Social Medien präsentieren, mit dem unmissverständlichen Kommentar „Schau mal, ich bin dabei gewesen“.

Mit dem Intro „Swanheart“ und Troy Donockley an den Tin Whistle und Uilleann Pipes begann dann die eigentliche Show monumental, wie man es von den Finnen gewohnt ist. Mit „Dark Chest of Wonders“, „Wish I Had and Angel“ und „10th Man Down“ wurde im Anschluss dem Publikum schon mal ordentlich Feuer unter dem Hintern gemacht, im wörtlichen, wie im übertragenen Sinne. Während der ersten drei Songs kamen Flammenprojektoren und andere Pyrotechnik zum Einsatz, welche wohldosiert die Show untermalten. Kein Feuer, Knall und Rauch um jeden Preis, sondern perfekt auf die Songs abgestimmt. Das bedeutete dann für die Fotografen aber auch, dass der Fotograben erst ab dem vierten Song frei gegeben war.

Gewaltig knallte der Sound von der Bühne und ließ dem Publikum von der ersten Ton an keine ruhige Sekunde. Von Anfang an ging es vor und auf der Bühne hoch her. Wenngleich … ich habe auch schon NIGHTWISH-Konzerte erlebt, auf denen die Finnen noch lebendiger, noch urgewaltiger wirkten. Dieses Gefühl mit „offenem Mund staunend auf die Bühne schauen“ und zu grübeln, wie sechs Musiker solch einen Sturm entfachen können, wollte sich dann doch nicht so richtig einstellen. Auch hielt sich der sonst so präsente Tuomas Holopainen (der immerhin für den Großteil der Nightwish-Songs verantwortlich ist) sehr im Hintergrund, ja er versteckte sich schon fast hinter seine Keyboards.

Müde allerdings wirkten die Musiker keinesfalls, vielleicht hatte ich persönlich hier auch einfach einen zu hohen Anspruch. Dem Publikum jedenfalls gefiel, was es zu sehen und zu hören bekam und Floor Jansen bedankte sich dann auch ob des zahlreichen Erscheinens, gerade eben weil es Montag war. Und die Halle war dann letztlich - bis auf die oberen Ränge - auch gut gefüllt.

Wie auf dem DECADES-Album wurden wir auch bei der Show durch das gesamte Schaffenswerk der Finnen geführt. Mit „Come Cover Me“, „Gethsemane“ und „Élan“ ging es weiter. Der Sound, und auch das ist in der Max Schmeling Halle keinesfalls selbstverständlich, war perfekt gemischt und ließ keine Wünsche offen.

Etwas kritisch wurde es dann bei Songs wie "Nemo" oder "Devil & The Deep Dark Ocean", die ja bekanntlich für Tarja Turunen geschrieben wurden, ihres Zeichens ausgebildete Sopranistin. Da kann Floor Jansen dann doch nicht ganz mithalten. So schlecht, wie sie aber von verschiedenen Kritikern gemacht wird, ist sie dann aber bei weitem nicht. Im Gegenteil. Für mich ist auch Floor eine ausgezeichnete Sängerin, die im Symphonic Metal in der absoluten Top-Liga singt. Und mal ehrlich, Tarja Turunen ist ebenso eine Ausnahme im Genre wie Rob Halford von JUDAS PRIEST. Über vier Oktaven Stimmumfang sind nun mal die Ausnahme.

Alles in allem ein durchaus gelungener Abend auf dem NIGHTWISH – bei aller Kritik – einmal mehr beweisen konnten, dass sie die absolute Nummer Eins des Symphonic Metal sind. Und die angesprochene Kritik, das gebe ich gerne zu, ist auf einem sehr hohen Level angesiedelt.

Für alle, die noch überlegen … von mir eine unbedingte Empfehlung für die noch folgenden Konzerte der Tour.

NIGHTWISH

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