ROCKLEGENDEN (PUHDYS-CITY-KARAT) // Ralswiek

Ralswiek – denkt man an dieses malerische Örtchen im Zentrum der Insel Rügen, fallen einem zuallererst die STÖRTEBEKER FESTSPIELE ein. Inmitten einer intakten Natur, umgeben von bewaldeten Hügeln, Feldern und Wiesen öffnet sich im Nordosten der kleinen Gemeinde der Blick auf eine beeindruckende Boddenlandschaft. Eine Allee aus Linden und Kastanien führt durch den Ort bis hin zu der,  eben durch jene Festspiele weit über die Grenzen der Insel bekannte, Naturbühne. Die mit über 9‘000 Sitzplätzen bestückte Bühne wird jeden Sommer aufs Neue von Piraten, Koggen und Pferden in Beschlag genommen, wenn Klaus Störtebeker als Gottes Freund und aller Welt Feind, seine Abenteuer zum Besten gibt.

Im Mai 2016 bot sich dem Betrachter allerdings ein ungewohntes Bild im Hafen. Fünf Sattelauflieger wurden von 30 Helfern entladen, während 24 Techniker auf der Bühne werkelten. 148 Meter Traversen, 84 Quadratmeter LED-Panels, 68 Lautsprecherboxen, 128 Moving Lights und mehr als 1 Kilometer Kabel wollten verlegt, aufgebaut und montiert werden. Nicht die Piraten des Mittelalters waren es, die die Besucher in ihren Bann ziehen sollten, sondern Legenden der Rockmusik. Genauer gesagt: Drei der ganz Großen der deutschsprachigen Rockmusik. Bereits letztes Jahr begeisterten die PUHDYS, CITY und KARAT zehntausende von Besuchern bei ihrer Tournee. Kein Wunder also, dass es 2016 noch einmal eine Zugabe gab und damit auch eine der letzten Möglichkeiten, die PUHDYS noch einmal LIVE zu erleben.

Also machte ich mich auf den Weg nach Ralswiek. 15:00 Uhr angekommen war der Parkplatz bereits gut gefüllt. Was ein wenig verwunderte. Offizieller Beginn war ja schließlich erst 19:00 Uhr. Wohnmobile aus allen Bundesländern prägten das Bild. Tische, Stühle, fröhliche Menschen. Und natürlich war von fast überall Musik zu hören. Fast ausschließlich die PUHDYS. Ganz eindeutig der Favorit bei den Fans. Das Ganze hatte schon einen Hauch von Festivalcharakter. Klug (oder eher dumm) wie ich war, parkte ich mein Auto nahe des Waldweges, der direkt zur Bühne führte. Das sparte mir wohl mehrere hundert Meter Fußweg, kostete mich aber letztlich bei der Rückfahrt nahezu eine Stunde an Zeit, weil ich mitten im Chaos der abreisenden Fans stand.

Mit meinen Kameras beladen machte ich mich also auf den Weg um die Lage zu sondieren. Bereits 16:00 Uhr hatte sich eine Schlange vor dem Einlass gebildet. Bei einem Eintrittspreis von rund 50 Euro hatte man freie Platzwahl. Nur, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Denselben Eintritt für Rang 1 und Rang 3 (von wo aus man tatsächlich nur noch mit einem Fernglas Blick auf die Bühne hatte) fand ich schon ein wenig unglücklich und alles andere als gerecht. Egal, zu stören schien es sonst niemanden.

Da ich noch Zeit im Überfluss hatte bahnte ich mir einen Weg durch Würstchenbuden, Bierstände, Fischräucherein hin auf den Hügel, auf welchem majestätisch das Schloss zu Ralswiek thronte, um einen Blick über den Zaun auf die Bühne zu riskieren. Tatsächlich konnte man von da den Soundcheck bestens verfolgen und hatte einen traumhaften Überblick über die gesamte Location.
Jetzt noch einen Kaffee und ein Wasser, und dann war es auch schon Zeit, mich zum Einlass zu begeben. 18:35 Uhr sollten die Fotografen da abgeholt werden. Da mir in meinem Alter all die Stände mit den riesigen Menschenmengen viel zu unbequem waren, suchte ich das „RIFF“, ein Restaurant im Hafen von Ralswiek, welches von der Frau von Wolfgang Lippert geführt wurde. Tatsächlich eine gute Alternative, sofern man über das nötige Kleingeld verfügt.
„Das ist doch hier die Kneipe von Frau Lippert?“, fragte ich eine der emsig umhereilenden Kellnerinnen. Entgeistert starrte sie mich an. Schließlich, fast widerwillig antwortete sie: „Ja, das ist das RESTAURANT von Frau Lippert.“ Yeah, Rock’n’Roll ….

Meine Hoffnung, den Einen oder Anderen aus der deutschen Musikszene dort zu treffen, erfüllte sich allerdings nicht.

Nach ein paar Missverständnissen und Ungereimtheiten, was die Akkreditierungen betraf, schafften es dann die drei akkreditierten Fotografen doch noch pünktlich zum Fotograben vor der Bühne. Pünktlich 19:00 Uhr begann das Konzert der ROCKLEGENDEN mit allen 15 Musikern, die den Auftakt gemeinsam auf der Bühne bestritten.
Während der einzelnen Sets wurden die jeweiligen Bands immer wieder von Musikern der anderen Gruppen unterstützt. Dabei spielten sie nicht nur einfach miteinander, sondern gaben den Songs teilweise ganz spezifische Noten. Ein durchaus gelungenes Experiment.
Während die PUHDYS und CITY hernach die Bühne verließen, begannen KARAT mit ihrem Set den ersten Teil des Abends.

An dieser Stelle muss ich tatsächlich Abbitte leisten. Ich habe KARAT lange, wohl zu lange, nicht mehr LIVE erlebt, weil ich der Meinung war, dass Claudius Dreilich die Fußstapfen seines Vaters Herbert (der verstorbene Frontmann von KARAT) viel zu groß waren. Umso überraschender war es, einen sichtlich gereiften und gesanglich um Welten verbesserten Claudius hören und sehen zu dürfen. Tatsächlich klingt KARAT 2016 wieder wie KARAT, oder ist zumindest verdammt nah dran am Original. Respekt.

„ALBATROS“ war natürlich ein Stück, was unbedingt auf die Setlist des Abends gehörte. Denn eben dieser ALBATROS wird ja auch jeden Abend während der STÖRTEBEKER FESTSPIELE von Wolfgang Lippert interpretiert. Ihr erinnert euch? Die Kneipe, ähmmm, das Restaurant. Und ja, das Original von KARAT ist um ein vielfaches eindrucksvoller, als das Cover. Vielleicht hat ja Wolfgang tatsächlich, wie von Claudius empfohlen, noch einmal ganz genau hin gehört.

Was für CITY „AM FENSTER“ ist, ist für KARAT „ÜBER SIEBEN BRÜCKEN“. Von unzähligen Bands gecovert, können die Berliner zu Recht stolz auf diesen Song sein, der sie weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte. (Auch wenn es doch westlich der Elbe noch immer Einige geben mag, die den Song Peter Maffay zuschreiben *urgs*)

Mit einem Puhdys-Cover ging Set 1 nach knapp einer Stunde zu Ende. Leider ließ der frühe Beginn die Lichtshow insgesamt noch etwas blass erscheinen. Dafür war der Sound wirklich erstklassig und ich vermute, selbst die Hotelbesucher im Schloss hatten noch ein erlesenes Klangerlebnis.

Zwei Minuten Umbauzeit … die Zeit lief für alle sichtbar an der riesigen Leinwand. Und der Zeitplan wurde strikt eingehalten. Das mag natürlich zum größten Teil auch daran gelegen haben, dass Backline und Sets bereits alle komplett für alle drei Bands auf der Bühne standen. Wirklich umzubauen gab es als eigentlich gar nichts.

CITY bestritt den mittleren Teil des Abends und waren – zumindest als einzelne Band – für die Fotografen tabu. Keine Ahnung, ob das organisatorische oder andere Gründe hatte, denn eigentlich sind die Herren um Toni Krahl sonst nicht so. Wie dem auch sei. CITY glänzte während ihres Auftrittes gleich mit zwei Covern. Einmal mit ihrem Song „HELDEN“ ein Cover David Bowies „HEROES“ und zum anderen mit „KLEINE HÄNDE“ von Bettina Wegner.  Natürlich nicht mit einem kleinen Seitenhieb auf ostdeutsche Funktionäre, denen dieses Lied immer die Zornesröte ins Gesicht trieb.
„Ist so´n kleines Rückgrat sieht man fast noch nicht. Darf man niemals beugen weil es sonst zerbricht.“ … war ja nun auch nicht unbedingt eine sozialistische Leitparole.
Was allerdings auffiel in Ralswiek war, dass das Publikum diesmal nicht wirklich generationsübergreifend war. Natürlich gab es einige Kinder im Publikum. Schließlich widmete Toni das Lied ja allen Besuchern unter einem Meter. Doch mehr als eine Handvoll waren es wohl nicht. Und auch das jüngere Publikum, welches sonst zumindest bei PUHDYS-Konzerten fast ein Drittel ausmacht, hielt sich arg in Grenzen. Tatsächlich war der größte Teil der geschätzten 6‘000 bis 7‘000 Zuschauer eher meiner Generation (also so um die fünfzig) zuzurechnen.
Das obligatorische Geigensolo Gogows durfte natürlich nicht fehlen, was letztlich im Highlight des CITY-Auftritts gipfelte. „AM FENSTER“.

Während sich ein Großteil des Publikums wähernd der bisherigen zwei Stunden noch nicht so richtig schlüssig war, ob es nun sitzen oder stehen sollte, stellte sich diese Frage bei den PUHDYS dann gar nicht erst mehr. Es wurde getanzt, gefeiert, mitgesungen. Mit Kulthits wie „GEH ZU IHR“ trafen Maschine nebst Band sofort den Nerv des Publikums und das Set endete in Songs wie „LEBENSZEIT“, „ALT WIE EIN BAUM“ und natürlich, ganz zum Schluss in „EISBÄREN“. Allerdings blieb „MELANIE“, sonst ein Garant für gute Stimmung und immer wieder vom Publikum gefordert an diesem Abend eher blass. Vielleicht stimmte ja irgendwas mit den Monitoren nicht, denn von dem großen Druck, der sich sonst bei diesem Song von der Bühne auf das Publikum überträgt, war diesmal fast nichts zu spüren. Glücklicherweise galt das aber auch nur für diesen einen Titel.

Die letzten beiden Songs des Abends bestritten dann wieder alle 15 Musiker gemeinsam und als mit „STERNENSTUNDEN“ sich der Konzertabend schließlich dem Ende neigte, sah man rund um nur zufriedene Gesichter.

Wer denn also mit der Musik der drei Rocklegenden groß geworden ist, dem sei eines der noch bevorstehenden Konzerte unbedingt empfohlen. Man muss wohl kein Orakel sein, um vorher zu sagen, dass es keiner bereuen wird.

Fotograf: z0araha5a